Taste den Gesalbten nicht an
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Taste den Gesalbten des Herrn nicht an.

Ein weithin missbrauchtes Wort Gottes.

 

von Tony Kerkel, Rosenheim, Brothaus-Gemeinde.

 

„Taste den Gesalbten des Herrn nicht an!“ Diese Mahnung wird manchmal mit Nachdruck denjenigen entgegen gehalten, die es wagen, die Lehren oder Aussagen eines bestimmten Lehrers oder einer ganzen christlichen Gruppierung zu hinterfragen oder gar als falsch zu bezeichnen.

 

Häufig werden solche Warnungen von den betreffenden Lehrern selbst gebraucht, um damit sich selbst und die eigene Position unangreifbar zu machen und sich vor jeglicher Kritik zu verwahren. Nicht selten sind es aber auch die Anhänger und Befürworter der kritisierten Lehre und ihrer Lehrer, die sich mit dem Argument des „Gesalbten“, der doch nicht angetastet werden dürfe, als Fürsprecher und Beschützer des vermeintlich zu Unrecht Verunglimpften einsetzen.

 

»Christus« ist das griechische Wort für den hebräischen Titel „Messias“ und heißt wörtlich der »Gesalbte«. Falsche Christusse sind falsche Gesalbte. Als Jesus einmal seine Jünger fragt: „Was sagen die Leute, wer ich sei … und was sagt ihr?“ antwortet Petrus: „Du bist der Christus …“ d.h. der Gesalbte. Es werden aber, wie Jesus voraussagt, viele falsche Gesalbte aufstehen und werden, wenn möglich, viele verführen – besonders die Auserwählten d.h. die Gläubigen.

 

Nun hören wir heute immer wieder, um jede Kritik abzuwehren: „Tastet meinen Gesalbten nicht an“.

 

Gerne wird diese Warnung noch mit dem Wort aus Sach. 2,12 ergänzt, wo es heißt: „Denn so spricht der HERR … wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an“. Doch wer sind nun diese Gesalbten? Und wer ist gemeint mit dem Augapfel des Herrn? Lesen wir dazu einmal den Kontext aus 1. Chronika 16,22 und beginnen mit Vers 16 .…

 

Der heimliche Selbstschutz. Dass sich hinter solchen selbstbewussten Aussagen häufig auch die Angst verbirgt, vielleicht selbst einem Irrtum erlegen zu sein, dessen Offenlegung ja wiederum die eigene Position in Frage stellt und gefährdet, ist den meisten, die das ‘Argument‘ des „Gesalbten“ gebrauchen, wohl nicht bewusst.

 

So geht es vordergründig zwar, wie es scheint, um die Ehre und Integrität des verteidigten Lehrers, doch auf der anderen Seite durchaus auch um den eigenen Standpunkt, der sich ja häufig auf die Aussagen und Lehren des Autors stützt, den es hier ‒ wie man meint ‒ zu schützen gilt.

 

Sollte aber der geistliche Leiter, für den man sich so engagiert einsetzt, tatsächlich falsch liegen, wäre auch jeder seiner Verehrer dem gleichen Irrtum verfallen und würde damit einen Teil seines Fundamentes verlieren, auf das er bisher gebaut hatte.

 

Um diese Gefahr und Ungewissheit zu vermeiden, ziehen es Menschen manchmal vor, lieber im Irrtum zu verharren d.h. in dem, was sie kennen und ihnen vermeintlich Sicherheit gibt, als das (falsche) Fundament, auf dem sie hier stehen, aufzugeben. Auf diese Weise dient das viel missbrauchte Wort vom „Gesalbten“, den man nicht antasten darf, für die meisten Anwender in Wirklichkeit gleichzeitig als Selbstschutz.

 

Bereits hier sehen wir also, dass auch die verborgenen Beweggründe bei der Verwendung dieses Schriftwortes, eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Gerade auch deshalb ist es umso nötiger, in die Bibel selbst hineinsehen und zu prüfen, ob es sich tatsächlich so verhält, wie dieses Wort Gottes heute so häufig gebraucht wird. Ein kurzes Bibelstudium wird uns dabei helfen Klarheit zu bekommen und zu verstehen, was es mit dem „Gesalbten des Herrn“ in Wirklichkeit auf sich hat und wie sich dem unvoreingenommenen Leser diese Schriftstellen im originalen biblischen Kontext zeigen.

 

Der falsche Anspruch

Charles Haddon Spurgeon, der wohl bekannteste Prediger Englands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verfasste im Hinblick auf falsche Lehren und ihre Lehrer einen Aufsatz, der in seinem Buch „Der Seelengewinner“ unter dem Titel >Eine gegenwärtig in die Mode gekommene Art, die göttliche Wahrheit zu verdrehen und es allen recht zu machen< erschienen ist.

 

Ch. H. Spurgeon: Nun, in der Urgemeinde sagten die Heiligen nicht, wie die Scheinheiligen von

heute es tun: „Wir müssen sehr barmherzig sein und dem Bruder seine Meinung lassen; er sieht die Wahrheit von einem anderen Standpunkt und drückt diese mit anderen Worten aus, aber seine Meinung ist ebenso gut wie unsere, und wir dürfen nicht sagen, dass er sich im Irrtum befindet.“

 

Doch das ist eine gegenwärtig in die Mode gekommene Art, die göttliche Wahrheit zu verdrehen und es allen recht zu machen. Auf diese Weise wird das Evangelium abgewertet, und ein „anderes Evangelium“ wird verkündigt. 

 

Ich würde gerne den modernen, toleranten Geistlichen fragen, ob es eine Lehre irgendeiner Art gibt, für die der Mensch bereit sein müsste, sich verbrennen zu lassen oder für sie ins Gefängnis zu gehen. Ich glaube, dass sie keine Antwort darauf hätten, denn wäre ihre Weitherzigkeit korrekt, dann wären die Märtyrer Toren höchsten Grades.

 

Doch Irrtümer und Wahrheit sind für diese Lehrer in ihrer Weitherzigkeit miteinander vereinbar. Die Apostel betrachteten den Irrtum nicht auf diese Weise. Sie rieten nicht zur weitherzigen Barmherzigkeit gegenüber der Falschheit oder bezeichneten den Irrlehrer nicht als einen Mann tiefer Gedanken, dessen Ansichten „erfrischend originell“ waren.

 

Was schon damals galt, ist auch in unserer Zeit in ähnlicher Form weit verbreitet. Heute wird von Befürwortern bestimmter Lehren schnell gesagt „Taste den Gesalbten des Herrn nicht an“ und man meint, damit eine biblische Grundlage zu haben, anders Denkende in die Schranken weisen zu können. Dabei werden Schriftstellen benützt, um jede Äußerung und jede Bewertung oder Kritik abzuwehren, ja abzuwürgen und diejenigen mundtot zu machen, die es wagen, Zweifel an bestimmten Lehren zu äußern oder Lehren und Handlungsweisen mancher sogenannter “Gesalbter“ als falsch zu bezeichnen.

 

Doch wer sich auf solche Art und Weise unantastbar machen will, um sich auch jeder vernünftigen Kritik und allen berechtigten Zweifeln zum Trotz zu entziehen sucht, wird sich zu Recht fragen lassen müssen, was er eigentlich zu verbergen hat. Wer das Wort vom Gesalbten des Herrn für sich selbst in Anspruch nimmt und es als Abwehrreaktion Andersdenkenden entgegenhält, missbraucht nicht nur Gottes Wort, sondern maßt sich ‒ wie wir noch sehen werden ‒ etwas an, das ihm keinesfalls zusteht, da es nur dem Einen gilt, der wahrhaft der Gesalbte des Herrn ist. Doch um für sich selbst und für das, was sie lehren, Immunität und Unantastbarkeit zu beanspruchen, verbreiten die betreffenden Lehrer immer wieder auch dieses Wort vom ‘Gesalbten des Herrn‘ im Hinblick auf sich selbst. …Und ihre Jünger plappern es einfach nach.

 

Um Korrektur zu umgehen, warnen sie mit solchen Aussagen ihre Kritiker beziehungsweise diejenigen, die den Irrtum oder die Täuschung bemerken und drohen damit, dass alle, die sie als Gesalbte oder Bevollmächtigte des Herrn in Frage stellen und ihre Lehre ablehnen, Gottes Gericht erleiden würden. Und wer sollte sich da nicht fürchten? Ob jedoch diese Lesart biblischer Aussagen hier angemessen ist und tatsächlich dem Worte Gottes entspricht, wollen wir nachfolgend untersuchen.

 

Ein Alarmsignal

Lass dir von niemanden das Denken verbieten Fromme Argumentationsweisen, die gleichzeitig ein deutliches Einschüchterungspotential aufweisen, sind immer auch ein Alarmsignal. Sie sollen den Adressaten verunsichern und warnen, sich mit seiner Kritik zurückzuhalten bzw. seine Ablehnung aufzugeben. Doch gerade hier gilt es besonders wachsam zu sein und keine Angst zu haben, für die Wahrheit einzustehen. Wenn es berechtigte Gründe gibt, dürfen wir nicht schweigen. Niemand sollte sich von manipulativen oder drohenden Bemerkungen, die gleichzeitig, um ihnen Nachdruck und den Schein von Geistlichkeit zu verleihen, mit irgendwelchen Schriftstellen begründet werden, einschüchtern lassen. Wenn Gottes Wort verdreht und Menschen dadurch manipuliert und betrogen werden ‒ von wem auch immer ‒ brauchen wir nicht zu verstummen oder ängstlich zurückzuweichen.

 

1.Joh. 4,1 Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgegangen. Doch wie soll man warnen, wenn man nicht sagen darf, vor wem? Wie soll man prüfen und beurteilen, wenn Lehrer und Prediger unantastbar sind? Wer darf überhaupt noch etwas bewerten, wenn die berühmten und erfolgreichen automatisch die Gesalbten des Herrn sind und so das Mandat auf besonderen göttlichen Schutz genießen? Wie können ernsthafte und begründete Bedenken geäußert werden, und wie kann man jemand warnen, nicht in die Falle zu tappen, wenn man nicht auf die Fallensteller hinweisen darf? Nein, auch wenn möglicherweise viele andere begeistert sind und wir scheinbar allein dastehen, sollten wir uns nicht einfach dem Druck der Masse beugen und dabei die eigene Überzeugung verleugnen.

 

Begeisterung ist nicht alles. Da betrügerische Lehren immer sehr attraktiv und betont geistlich daher kommen und häufig schnell begeistert aufgenommen werden, ist eine gewisse Nüchternheit leider oft nicht gefragt, da scheinbar das Begeisternde automatisch richtig ist. Doch gerade im Zusammenhang mit Lehre und biblischer Unterweisung, die ja Grundlage allen Glaubens ist, sind auch Schriftstellen wie die folgenden keineswegs überholt und gehören maßgeblich zu einem gesunden und verantwortungsvollen Glaubensleben dazu. Wer solche Aussagen des Wortes Gottes achtlos beiseite schiebt und meint, dass die Bedrohung durch Verführung bei ihm nicht gegeben sei, begibt sich auf ausgesprochen dünnes Eis und steht in ganz besonderer Gefahr, dem Irrtum anheim zu fallen. Sowohl im Alten‐ wie auch im Neuen Testament lesen wir immer wieder von der Gefahr der Täuschung und Verführung durch angeblich besonders Gesalbte.

 

Jer. 23,16 So spricht der HERR der Heerscharen: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen. Sie täuschen euch, das Gesicht ihres Herzens reden sie,nichts aber aus dem Mund des HERRN.

 

Off. 2,2 Ich kenne deine Werke und deine Mühe und dein Ausharren, und dass du Böse nicht ertragen kannst; und du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner befunden;

 

Mt. 7,15f Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen! Inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

 

Natürlich haben wir nichts gegen Begeisterung – ganz im Gegenteil. Doch Begeisterung allein ist zu wenig und macht leicht blind. Wer nur begeistert

ist und meint, dabei auf eine gründliche Recherche in Gottes Wort verzichten zu können, missachtet eine wichtige Aufgabe, die uns die Heilige

Schrift aus gutem Grund anheimstellt. Denn was gut klingt, muss nicht unbedingt auch gut sein. Aufgrund geistlicher Modeströmungen, die mit

Begeisterung aufgenommen wurden, sind schon viele betrogen worden. Nicht selten stellt sich dann die Ernüchterung erst im Nachhinein ein.

 

Mt. 24,10f Und dann werden viele verleitet werden (…) und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen.

 

Mt. 24,24f Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen. Siehe, ich habe es euch vorhergesagt.

Jesus, der Messias selbst, sagt also, es werden falsche Christusse und viele falsche Propheten aufstehen und werden, wenn möglich, viele verführen.

 

Falsche Gesalbte

»Christus« ist das griechische Wort für den hebräischen Titel „Messias“ und heißt wörtlich der »Gesalbte«. Falsche Christusse sind falsche Gesalbte. Als Jesus einmal seine Jünger fragt: „Was sagen die Leute, wer ich sei … und was sagt ihr?“ antwortet Petrus: „Du bist der Christus …“  d.h. der Gesalbte. Es werden aber, wie Jesus voraussagt, viele falsche Gesalbte aufstehen und werden, wenn möglich, viele verführen – besonders die Auserwählten d.h. die Gläubigen.

 

Nun hören wir heute immer wieder, um jede Kritik abzuwehren: „Tastet meinen Gesalbten nicht an“. Gerne wird diese Warnung noch mit dem Wort aus Sach. 2,12 ergänzt, wo es heißt: „Denn so spricht der HERR … wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an“. Doch wer sind nun diese Gesalbten? Und wer ist gemeint mit dem Augapfel des Herrn? Lesen wir dazu einmal den Kontext aus 1. Chronika 16,22 und beginnen mit Vers 16.

 

Die Gesalbten Gottes ‐ Israel

  1. 1. Chr. 16, 16‐22 Gedenkt des Bundes, den er geschlossen hat mit Abraham, und seines Eides an Isaak. Er richtete ihn auf für Jakob …, für Israel zum ewigen Bund, indem er sprach: Dir will ich das Land Kanaan geben als euch zugemessenes Erbe, als ihr noch gering wart an Zahl, nur wenige, und Fremdlinge darin. Als sie von Nation zu Nation wanderten und von einem Reich zu einem anderen Volk, da gestattete er keinem Menschen, sie zu bedrücken, und ihretwegen wies er Könige zurecht: "Tastet meine Gesalbten nicht an, tut meinen Propheten nichts Übles!"

 

Wen meint der Text hier? Wem wurde Kanaan gegeben und wer musste erst lange Wanderungen zurücklegen, bevor er in sein Erbe kam? Nun, eindeutig geht es hier um Israel, das Volk Gottes, ein kleines Häuflein, das geringste unter den Völkern, eine Nation, die keiner wollte. Und ihretwegen wies der Herr Könige zurecht und sagte: "Tastet meine Gesalbten nicht an, tut meinen Propheten nichts Übles!" Auch an anderer Stelle bekräftigt Gott nachdrücklich:

 

Sach. 2,12 Denn so spricht der HERR … wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an.

 

Bitte lest einmal selbst nach: In beiden Stellen bezieht sich das Wort Gottes auf Israel. Gott nennt sein auserwähltes Volk „seine Gesalbten“ und „seinen Augapfel“. Und hier ist eine ernste Warnung an alle: Wer sein Volk antastet, bekommt es mit IHM zu tun. Wer Hand an dieses Volk legt, wird von Gott

selbst zurechtgewiesen. Wehe jedem, wehe jeder Nation, jedem Herrscher, der sich an seinem Volk vergreift, an Israel ‒ an SEINEN GESALBTEN.

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In 1. Chr. 16,22 und Psalm 105,15 wird der Begriff „Gesalbte“ im Plural verwendet und zeigt damit an, dass es sich hier nicht um eine Einzelperson handelt. Beide Stellen sprechen von „den Gesalbten“ in der Mehrzahl und meinen damit das Gottesvolk Israel und nicht einzelne Führer des Volkes!

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1. Chr. 16,19‐22 Als sie noch gering waren an Zahl ... als sie von Volk zu Volk wanderten, von einem Reich zu einem anderen Volk, da gestattete er keinem Menschen, sie zu bedrücken, und ihretwegen wies er Könige zurecht: Tastet meine Gesalbten nicht an.

 

Der Begriff »Gesalbter« wird hier also von Gott selbst gebraucht und bezieht sich auf sein Volk, das er sich aus allen Völkern erwählt hatte. Israel gehört das besondere Augenmerk des Herrn und jeder, der sich an diesem Volk vergreift, tastet damit Seinen Augapfel an. David und Saul Schließlich finden wir den Ausdruck »Gesalbter« bei Saul, dem ersten König Israels, der zweimal in der Hand Davids war, wobei David von seinen Männern bedrängt wurde, Saul doch den Garaus zu machen, ihn also zu töten und den König zu ermorden. Doch David weigerte sich und dachte: Ich will meine Hand nicht an meinen Herrn legen, denn er ist der Gesalbte des HERRN!

 

Auf diese Begebenheit beziehen sich in der Regel alle, die das Wort vom Gesalbten gebrauchen, um kritische Stimmen zum Verstummen zu bringen. Doch was ist nun damit gemeint, wenn David sagt, dass er den Gesalbten des Herrn nicht antastet?

 

Die Hand an Gesalbten zu legen – was heißt das?

1. Sam. 24, 11 Siehe, an diesem Tag haben deine Augen gesehen, dass der HERR dich heute in meine Hand gegeben hat in der Höhle. Und man drängte mich, dich umzubringen. Aber ich habe dich verschont und dachte: Ich will meine Hand nicht an meinen Herrn legen, denn er ist der Gesalbte des HERRN!

Den Gesalbten anzutasten, bedeutet hier nichts anderes, als ihn körperlich zu verletzen beziehungsweise ihn zu töten und das Leben zu nehmen. Doch das wollte David nicht. Aber – und das müssen wir hier sehen – im selben Zusammenhang und unmittelbar nachdem der König die Höhle verlassen hatte,

tadelt er Saul öffentlich für dessen falsches Reden und Handeln.

David scheut sich eben nicht, das Unrecht Sauls klar zu benennen und deutliche Worte zu sprechen, wobei er Saul mit allem Nachdruck zum Umdenken auffordert. Er tut dies sogar vor den Ohren seiner Untergebenen und vor Sauls Armee.

 

Dann fügt er hinzu:

VS 13 Der HERR richte zwischen mir und dir … Aber meine Hand soll nicht gegen dich sein.

 

Es geht also bei dieser Begebenheit gerade nicht darum, den Gesalbten des Herrn nicht anzutasten, indem man sein Fehlverhalten verschweigt oder zudeckt und nicht anspricht, sondern die Sache ist vielmehr, ihn nicht mit Gewalt aus dem Weg zu räumen.

Nachdem David die Möglichkeit hatte, dem wehrlosen König das Leben zu nehmen, sprach er zu Saul: "Denn der HERR hat dich heute in meine Hand

gegeben, ich aber wollte meine Hand nicht an den Gesalbten des HERRN legen". David hätte den wehrlosen Saul mit Leichtigkeit töten können. Doch

er tat es nicht, da Saul in der Tat der Gesalbte König war, also ein Führer, an den David nicht Hand anlegen wollte. Obwohl Saul alles andere als gottesfürchtig handelte und David allen Grund gehabt hätte, ihn zu beseitigen, wollte er Saul dennoch nicht antasten. Doch daraus nun den Schluss zu ziehen, dass es David nicht erlaubt war, Saul zu kritisieren, weil er ein „Gesalbter des Herrn“ war, wiederspricht dem Text grundlegend. David bat Saul weder um eine Unterredung unter vier Augen zu einem seelsorgerlichen Gespräch, noch ging es ihm darum, Saul aus der Verantwortung zu entlassen und schon gar nicht war David bereit, zu allem zu schweigen.

 

Ein Mann nach dem Herzen Gottes

Bei Saul und David ging es aber noch um etwas ganz anderes: Saul war immer noch der amtierende König, der durch den Propheten Samuel im Auftrag Gottes zum König gesalbt wurde. Doch David wusste bereits, dass er von Gott dazu bestimmt war, Sauls Nachfolger zu sein. David war berufen der nächste König Israels zu werden. Als er Saul in der Höhle von En Gedi erwischte, hätte er leicht kurzen Prozess machen können. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen Saul zu beseitigen und damit seiner eigenen Berufung auf die Sprünge zu helfen. Die Freunde Davids ermutigten ihn genau dazu und versuchten, ihn zu überzeugen doch diese Chance zu nutzen. Sie sahen darin sogar den Willen Gottes, diese Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen. Ihrer Meinung nach sollte David nicht zögern und die Gunst der Stunde nutzen, sich Sauls zu entledigen.

 

Doch David sagte ‘nein‘ und widerstand dieser Versuchung. Er weigert sich, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, um sich durch eigene Machtmittel selbst auf den Thron zu setzen.

 

Stattdessen lesen wir:

1. Sam. 24,7f Und er sagte zu seinen Männern: Das sei vor dem HERRN fern von mir, dass ich so etwas an meinem Herrn, dem Gesalbten des HERRN, tun sollte, meine Hand an ihn zu legen, denn er ist der Gesalbte des HERRN!

Und David wehrte seinen Männern mit diesen Worten und erlaubte ihnen nicht,

sich an Saul zu vergreifen.

 

Auch hier sehen wir, warum David ein Mann nach dem Herzen Gottes war. Er befördert sich nicht selbst in ein Amt und maßt sich nichts an, was nur aus der Hand Gottes empfangen werden kann. Er setzt sich nicht mit Gewalt durch, sondern überl.sst seine Berufung Gott. David nimmt sich nichts, was ihm noch nicht gegeben ist.

 

Hier geht es also nicht einfach nur darum, den Gesalbten des Herrn nicht anzutasten, sondern sich nicht selbst ‒ nämlich durch die Beseitigung des Königs, durch Königsmord ‒ zum nächsten Gesalbten zu machen. Denn damit wäre David nicht besser gewesen als Saul, der seinerseits ständig versucht hat, mit Gewalt sein Amt zu verteidigen. Doch David weigerte sich, sich das Königtum und seine Berufung vor der Zeit zu nehmen, sich selbst zu helfen. Was aber die berechtigte Kritik am König betraf, so ließ sich David nicht mundtot machen, sondern sprach deutlich aus, was er zu sagen hatte und was er sagen musste.

 

Wir sehen also, dass bei genauerer Betrachtung der Zusammenhänge, diese Schriftstellen in keinem Fall eine Grundlage dafür bieten z.B. ein Gebot zu begründen, Leiter oder Lehrer, die nachweislich in grundlegenden Dingen Falsches lehren und den Glauben vieler gefährden, nicht zu korrigieren. Eine

derartige Anwendung des Textes zeigt zum einen ein grundlegendes Missverständnis in Bezug auf neutestamentliche Leiterschaft und gleichzeitig einen immensen Mangel an Kenntnis der Schrift überhaupt.

 

Wer ist nun der Gesalbte des Herrn?

Auch hier sollten wir einfach die Schrift selbst befragen und die Antwort geben lassen. Das Neue Testament, angefangen von den Evangelien über die Apostelgeschichte und die Briefe bis hin zur Offenbarung, bietet eine Fülle von Schriftstellen, die keinen Zweifel daran lassen, wer allein dieser Gesalbte ist, auf den sich das Wort Gottes bezieht.

 

Mt. 16, 13‐16 … Was sagen die Leute, wer ich bin … und was sagt ihr? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus (d.h. der Gesalbte)

 

Lk. 4,18f Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit auszurufen und Blinden, dass sie wieder sehen, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen ein angenehmes Jahr des Herrn.

 

Joh. 1,41 Dieser (Andreas) findet zuerst seinen eigenen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden ‐ was übersetzt ist: Christus (der Gesalbte).

 

Joh. 4,25 Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus (der Gesalbte) genannt wird; wenn jener kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet.

 

Mk. 8,29 Und er fragte sie: Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin? Petrus antwortet und spricht zu ihm: Du bist der Christus (du bist der Gesalbte).

 

Lk. 22,66f Und als es Tag wurde, versammelte sich die Ältestenschaft des Volkes, Hohepriester sowie Schriftgelehrte, und führten ihn hin in ihren Hohen Rat und sagten: Wenn du der Christus (der Gesalbte) bist, so sage es uns! Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich es euch sagte, so würdet ihr nicht glauben.

 

  1. 1. Joh. 5,1 Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus (der Gesalbte) ist, ist aus Gott geboren; …

Off. 11,15f Und der siebente Engel posaunte: und es geschahen laute Stimmen im Himmel, die sprachen: Das Reich der Welt ist unseres Herrn und seines Gesalbten Christus geworden und er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und die 24 Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen sitzen, fielen auf ihre Angesichter und beteten Gott an.

 

Apg. 4,24ff Sie aber erhoben einmütig ihre Stimme zu Gott und sprachen: Herrscher, (…) der du durch den Heiligen Geist durch den Mund unseres Vaters, deines Knechtes David, gesagt hast: "Warum tobten die Nationen und sannen Eitles die Völker? Die Könige der Erde standen auf und die Fürsten versammelten sich gegen den Herrn und seinen Gesalbten (d.h. Christus). Denn in dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, …

 

Gott selbst macht mehrfach deutlich: „Tastet meinen Gesalbten nicht an“. Den ‒ so macht das Wort Gottes klar ‒ darf man nicht schlagen. Doch sie haben es dennoch getan. Er war der König Israels, der König der Juden … dennoch haben sie ihn ermordet. Ihn, der – wie Petrus sagt ‒ keine Sünde getan

hat, auch ist kein Trug in seinem Mund gefunden worden, der, geschmäht, nicht wieder schmähte, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet.

 

Der wahre Gesalbte hat es also zugelassen, dass man ihn antastet, ER hat sich schlagen, kreuzigen und schließlich töten lassen. Welch ein Kontrast zu den falschen Gesalbten, die schnell denjenigen drohen, die es wagen Fragen zu stellen und aus gutem Grund eine andere Sicht der Dinge vertreten.

 

Doch dem Beispiel Jesus, des wahren Gesalbten, gilt unsere Aufmerksamkeit und seinem Vorbild wollen wir folgen. Dazu lesen wir im ersten Petrusbrief:

 

1. Pet. 2,21 Denn hierzu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr seinen Fußspuren nachfolgt…

 

 

Wer allerdings so laut schreit „Tastet den Gesalbten des Herrn nicht an“, um sich damit selbst unantastbar zu machen, weil er sich selbst für den Gesalbten des Herrn hält, folgt darin gerade nicht dem Vorbild des wahren Gesalbten.